Statement ...künstlerisch arbeiten ist für mich wie das Wachsen für den Grashalm Grashalme MÜSSEN wachsen scheinbar schwach sind sie dennoch fähig sich nach jeder NIEDER-LAGE wieder aufzurichten... Diese Niederschrift (im Katalog von 1996 nachzulesen) besitzt nach wie vor für meine Arbeit Gültigkeit. Hauptthema meiner Arbeit sind die Veränderungen und Wechselbeziehungen zu allem Existierenden, mögen es Menschen, Tiere, Pflanzen oder die sogenannte unbelebte Natur sein. Es gibt keine klaren Grenzen, alles ist mit allem verbunden. Da wir dem Zeitpfeil unterworfen sind, können wir mit unseren Sinnen nur NACH-EINANDER Erfahrungen machen. Meine Arbeitsweise ist prozessgebunden und das Ergebnis nicht vorhersehbar. Jedes Bild ist nur als Ausschnitt eines größeren Ganzen zu verstehen. Theoretisch wäre es auch möglich, über die Bildränder hinauszuarbeiten, bis in die Unendlichkeit. Daher sind meine Arbeiten auch niemals „fertig“. Vielmehr verharren sie in einem einstweiligen Zustand der Ruhe. Manche bleiben so. Andere nehme ich mir nach einer Zeit wieder vor und verändere sie. Ob sie „besser“ werden, weiß ich nicht. Mir ist wichtig, dass sie anders werden. Manche zerstöre ich auch und baue sie danach wieder zusammen. Die von mir gewählte Technik der Seidenpapiercollage ist dazu sehr geeignet. Auf stehengebliebenen Fetzen des Alten wird Neues aufgebracht. So, wie unsere Erinnerungen ständig von neuen Erfahrungen überlagert werden. Das Tryptichon „die vier Elemente“ baut auf dieser Technik auf. Erde, Wasser, Feuer und über allem weht die Luft als leichtestes Element. Alle Elemente können aufbauen und zerstören, wie es viele von uns schon erfahren mussten. Aber ohne sie wäre das Leben, so wie wir es kennen, nicht möglich. Das Leben ist mächtig. Immer wieder entsteht es aus sich selbst heraus. Notfalls in neuen Formen, wenn die Bedingungen nicht mehr passen. Das Leben ist schön. Das Leben ist schrecklich. Es will am Leben bleiben, egal wie. Der Krüppel, der schiefe Baum, das kranke Tier – sie leben, auch wenn die Bedingungen schlecht sind. Wir heutigen wollen das perfekte Leben – oder gar keins. In früheren Jahrhunderten war man schon mal klüger. Das Leben ist ein Geschenk. Und einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Das Leben will gelebt werden. Schönheit ist überall, auch in den disruptiven Brüchen, die wir zur Zeit gerade erleben. In ihnen steckt ungeheures Potenzial zur Neuordnung. Verkrustungen brechen auf, neues drängt zur Gestaltung. Leonore Adler, 2022